Stellungnahme Digitale-Gesundheitsanwendungen-Verordnung (DiGAV)

Stellungnahme Referentenentwurf Digitale-Gesundheitsanwendungen-Verordnung (DiGAV)

Die DGPharMed begrüßt, dass das Bundesgesundheitsministerium bereits kurz nach Inkrafttreten des Digitale-Versorgung-Gesetzes (DVG) einen Referentenentwurf für eine „Digitale-Gesundheitsanwendungen-Verordnung“ (DiGAV) vorgelegt hat.

Die DGPharMed nimmt als medizinische Fachgesellschaft in der AWMF im Folgenden Stellung zum aktuellen Referentenentwurf. Die Stellungnahme bezieht sich auf die nachfolgenden Regelungsinhalte:

1. § 16 Studien zum Nachweis positiver Versorgungseffekte

Die Regelung sieht vor, dass der Hersteller den Nachweis für nach § 15 Absatz 1 angegebene positive Versorgungseffekte mittels einer vergleichenden Studie führt, welche belegt, dass die Intervention gegenüber der Nichtanwendung der digitalen Gesundheitsanwendung überlegen ist. In der Begründung wird dazu ausgeführt, dass im Rahmen vergleichender Studien gezeigt werden soll, dass eine Verbesserung erreicht werden kann gegenüber der Behandlung ohne Einsatz einer digitalen Gesundheitsanwendung.

Die DGPharMed begrüßt diese Regelung ausdrücklich. Allerdings interpretiert die DGPharMed dies nicht so, dass unter vergleichenden Studien ausschließlich randomisiert kontrollierte klinische Studien, also RCT, zu verstehen sind. Entsprechend den Vorgaben der evidenzbasierten Medizin finden sich außerhalb der RCTs weitere vergleichende Studiendesigns, wenn auch mit niedrigerem Evidenzlevel:

  • Ia systematische Übersichtsarbeiten von Studien der Evidenzstufe Ib
  • Ib randomisierte klinische Studien
  • IIa systematische Übersichtsarbeiten der Evidenzstufe lIb
  • IIb prospektiv vergleichende Kohortenstudien
  • III Gib retrospektiv vergleichende Studien

Die Verordnung sollte daher klarstellen, welche Studiendesigns unter „vergleichende Studien“ zu verstehen sind.

2. §18 Bewertungsentscheidung über das Vorliegen eines hinreichenden Nachweises

Die Regelung sieht vor, dass (1) das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte im Rahmen einer Abwägungsentscheidung bewertet, ob auf Grundlage der vorgelegten Unterlagen positive Versorgungseffekte hinreichend nachgewiesen sind. Die Abwägungsentscheidung berücksichtigt die zu erwartenden positiven wie negativen Effekte auf Grundlage der vorliegenden Erkenntnisse insbesondere unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Indikation, des Risikos der digitalen Gesundheitsanwendung und der vorhandenen oder nicht vorhandenen Versorgungsalternativen.

(2) Erweisen sich die Anforderungen nach §§ 16 und 17 aufgrund der besonderen Eigenschaften einer digitalen Gesundheitsanwendung oder aus anderen Gründen als ungeeignet für den Nachweis positiver Versorgungseffekte, kann das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte von den Vorgaben nach §§ 16 und 17 abweichen.

In der Begründung wird ausgeführt, dass ein Abweichen von den Vorgaben nach § 16 und 17 in Betracht kommen kann, wenn die dort vorgesehenen Anforderungen aufgrund der besonderen Eigenschaften einer digitalen Gesundheitsanwendung oder aus anderen Gründen ungeeignet sind. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein besonderer Versorgungsbedarf vorliegt oder aufgrund der Besonderheit der digitalen Gesundheitsanwendung eine weitergehende Betrachtung der Potenziale und Risiken notwendig erscheint oder wenn die Bewertungsmaßstäbe in vergleichbaren Bewertungsverfahren erheblich abweichen.

Die DGPharMed begrüßt diese Regelung ebenfalls. Allerdings sollte für die Entscheidungsfindung regelhaft die Expertise der jeweiligen medizinischen Fachgesellschaften hinzugezogen werden. Dies gilt vor allem für die Festlegung der vorhandenen oder nicht vorhandenen Versorgungsalternativen und gilt insbesondere für Fälle, in denen ein besonderer Versorgungsbedarf vorliegt.

3. §19 Begründung der Versorgungsverbesserung

Hersteller digitaler Gesundheitsanwendungen, die einen Antrag auf Erprobung nach § 139e Absatz 4 SGB V stellen, müssen erste Nachweise vorlegen, die plausibel machen, dass die digitale Gesundheitsanwendung für eine bestimmte Patientengruppe bestimmte positive Versorgungseffekte entfalten kann. Hierfür sieht der Gesetzgeber Pilotstudien besonders geeignet, sie werden in kleinerem Maßstab durchgeführt und dienen in der Regel dazu, Daten als Planungs-grundlage zu generieren und eine folgende geplante Studie gezielt vorzubereiten

Die DGPharMed begrüßt klare Vorgaben für die vorzulegende Evidenz, empfiehlt jedoch, den Begriff der „Pilotstudie“ zu überdenken. Die Planung und Durchführung klinischer Studien wie auch das Studiendesign unterliegen überwiegend den internationalen Vorgaben der ICH GCP, für die EU umgesetzt in entsprechenden Richtlinien und Guidelines. Auch wenn die Durchführung von Pilotstudien wie auch von sogenannten „Feasibility Studies“ in der klinischen Entwicklung von Arzneimitteln etabliert ist, gibt es keine klare gesetzliche Verankerung. Wird die Pilotstudie als klassische RCT durchgeführt, nur mit einer geringeren Fallzahl, unterliegt sie dennoch allen gesetzlichen Auflagen einer RCT. Wie bereits zu §16 ausgeführt, kann der Nachweis, dass die digitale Gesundheitsanwendung für eine bestimmte Patientengruppe bestimmte positive Versorgungseffekte entfalten kann, auch im Rahmen einer vergleichenden Studie niedrigerer Evidenzlevel erbracht werden. Weiterhin sollte die Rechtsverordnung die Möglichkeit zur Nutzung innovativer Analyseverfahren einschließen, wie zum Beispiel Simulation und Modellierungen.

Für den Fall, dass entsprechend SGBV §139e (4) dem Hersteller der Nachweis positiver Versorgungseffekte nach Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 noch nicht möglich ist, kann er nach Absatz 2 auch beantragen, dass die digitale Gesundheitsanwendung für bis zu zwölf Monate in das Verzeichnis zur Erprobung aufgenommen wird. Der Hersteller hat dem Antrag neben den Nachweisen nach Absatz 2 Satz 2 Nummer 1 und 2 eine plausible Begründung des Beitrags der digitalen Gesundheitsanwendung zur Verbesserung der Versorgung und ein von einer herstellerunabhängigen Institution erstelltes wissenschaftliches Evaluationskonzept zum Nachweis positiver Versorgungseffekte beizufügen. Mit der Vorgabe einer Pilotstudie wären die Anforderungen an die vorzulegende Evidenz für den Antrag auf eine Erprobung deutlich höher als in allen anderen Fällen. Dies widerspricht dem Sinn einer Erprobung. Somit sollte der Begriff der Pilotstudie ersetzt werden, ggf. durch „vergleichende Daten“ bzw. ergänzt durch innovative Analyseverfahren.

4. §27 Beratung

Die DGPharMed begrüßt die Möglichkeit einer Beratung der Hersteller digitaler Gesundheitsanwendungen durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, BfArM, vor Einreichung des Antrages auf Aufnahme einer digitalen Gesundheitsanwendung in das Verzeichnis nach § 139e Absatz1 SGBV, insbesondere zum Verfahrensablauf sowie zu den mit dem Antrag vorzulegenden Angaben und Nachweisen.

Allerdings empfiehlt die DGPharMed dringend die Erweiterung des Beratungsangebots auf die Beratung vor Beginn der vorzulegenden vergleichenden Studien. Fragen der Hersteller zum Studiendesign wie auch zur Vergleichstherapie müssen beantwortet werden, bevor Kosten entstehen für Studien, die dann möglicherweise zum Nachweis positiver Versorgungseffekte nicht akzeptiert werden. Es sollte geprüft werden, ob dafür die bereits hier vorgesehene Beratung zum Verfahrensablauf erweitert werden sollte, ob eine Beratung zu den Nachweisen positiver Versorgungseffekte im Rahmen der bereits vom BfArM für Medizinprodukte angebotenen wissenschaftlichen und verfahrenstechnischen Beratung geleistet werden kann oder ob die im SGBV

Dr. med. Simone Breitkopf
Dr. med. univ. Manuela Bamberger
Dr. med. Simone Breitkopf

Sprecherin des Fachbereichs Market Access
Beisitzerin, Ressort Nationale & Internationale Kooperationen / Mitgliedschaften

Dr. med. univ. Manuela Bamberger

Sprecherin des Fachbereichs Klinische Prüfung

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