Stellungnahme zur Änderung der G-BA Verfahrensordnung

Stellungnahme zur Änderung der G-BA Verfahrensordnung: Änderung der Modulvorlage in der Anlage II zum 5. Kapitel

Die DGPharMed begrüßt die Möglichkeit, sich als medizinische Fachgesellschaft in der AWMF im Stellungnahmeverfahren zur Änderung der G-BA Verfahrensordnung zur Änderung der Modulvorlage in der Anlage II zum 5. Kapitel, zu beteiligen.

Die Mitglieder der DGPharMed sind in allen Bereichen der Pharmazeutischen Medizin unter anderem auch mit der Entwicklung, Validierung, Anwendung und Auswertung von Instrumenten zur Erfassung von patientenberichteten Endpunkten (Patient-Reported Outcomes, PRO) in klinischen Studien und der klinischen Routine befasst. Darüber hinaus ist insbesondere der Fachbereich Market Access der DGPharMed mit allen medizinisch wissenschaftlichen Aspekten der Nutzenbewertung von Arzneimitteln und in diesem Zusammenhang auch mit dem Umgang mit PRO befasst.

Patientenberichtete Endpunkte werden nicht nur für die Nutzenbewertung und auch nicht nur in klinischen Studien verwendet, um die Patientenperspektive auf die Folgen von Erkrankungen und Behandlungen zu evaluieren. Auch außerhalb der gesetzlichen Vorgaben zur Nutzenbewertung des AMNOG sind PRO und die gesundheitsbezogene Lebensqualität wegen ihres besonderen Bezugs zur persönlich empfundenen Krankheitslast von Patientinnen und Patienten eine relevante Endpunktkategorie bei der Bewertung therapeutischer Behandlungen, sei es durch die Europäische Zulassungsbehörde EMA, HTAs in anderen Ländern oder Regionen.

Für die Erfassung dieser Endpunkte ist eine Vielzahl von umfangreich validierten und international weit verbreiteten Instrumenten verfügbar. Diese werden in klinischen Studien und der klinischen Routine für die systematische und standardisierte Erhebung von Parametern wie beispielsweise Lebensqualität, Symptombelastung, und Behandlungsnebenwirkungen eingesetzt.

Eine zentrale Anforderung an die Messung der PRO, nicht nur in Deutschland sondern weltweit, ist die Verwendung geeigneter, reliabler und valider Instrumente bzw. Skalen. Viele der heute genutzten Instrumente sind nach den Vorgaben der FDA Guidance for Industry „Patient-Reported Outcome Measures: Use in Medical Product Development to Support Labeling Claims“ entwickelt worden und erfüllen damit die entsprechenden Anforderungen auch an die Definition der Responder.

Insbesondere für die Entwicklung von Arzneimitteln in der Onkologie hat die EMA eine Guidance veröffentlicht „Appendix 2 to the guideline on the evaluation of anticancer medicinal products in man – the use of patient-reported outcome (PRO) measures in oncology studies“, die in den meisten klinischen Studien in der Onkologie berücksichtigt wird. Berücksichtigt wird in vielen Fällen auch die CONSORT PRO Extension „Reporting of Patient-Reported Outcomes in Randomized Trials“.

Die FDA Guidance empfiehlt zur Definition eines Responders den ancor based approach: „Therefore, we will evaluate an instrument’s responder definition in the context of each specific clinical trial. The empiric evidence for any responder definition is derived using anchor-based methods. Anchor-based methods explore the associations between the targeted concept of the PRO instrument and the concept measured by the anchors. To be useful, the anchors chosen should be easier to interpret than the PRO measure itself“. Die FDA Guidance beschreibt weitere Möglichkeiten wie den Distribution based approach, jedoch als nicht ausreichend.

Diesem Ansatz entspricht auch die Empfehlung der EMA „because responsiveness and change depend on the patient population and contextual characteristics, there is not necessarily a single value of change of relevance for a PRO instrument across all applications and patient samples“ und „However, treatment benefit and risk, and magnitude of relevance of change should be based primarily on relevant patient-based and clinical anchors“.

Eine nationale Leitlinie, in der die Anforderungen an Instrumente zur Erfassung der PRO, vor allem im Zusammenhang mit der frühen Nutzenbewertung, dargestellt sind, liegt bis heute nicht vor.

Man kann davon ausgehen, dass die im Kontext von klinischen Studien genutzten Instrumente zur Erfassung der PRO in den meisten, wenn auch nicht allen Fällen, den publizierten Vorgaben von EMA und FDA entsprechen.

Vor allem in entsprechenden Publikationen des britischen NICE sind jedoch auch Defizite der jeweils genutzten Instrumente in einigen Indikationen veröffentlicht, sei es, dass die Validierung zum Zeitpunkt des Einsatzes noch unvollständig war oder weitere Daten fehlten. Auch aus den nationalen Diskussionen im Zusammenhang mit Verfahren zur frühen Nutzenbewertung sind die immer wieder auftretenden Differenzen um die Validität genutzter Instrumente wie auch um die Festlegung einer Responseschwelle bekannt.

Dies bedeutet aber nicht, dass die wissenschaftliche Grundlage aller in klinischen Studien genutzten Instrumente zur Erfassung der PRO in Frage gestellt werden muss. Auch das IQWIG hat in seinen Bewertungen sowohl die Wahl von Instrumenten als geeignet erachtet als auch die gesetzten Responseschwellen akzeptiert. Natürlich ist nachvollziehbar, zur allgemeinen Vereinfachung der Bewertungen und zur Vermeidung einer ergebnisgesteuerten Berichterstattung, für alle Instrumente eine einheitliche Responseschwelle festzulegen. Diesen Ansatz hat das IQWiG in der letzten Version seines Methodenpapiers (Version 6.0) bereits vorgestellt.

Laut IQWiG soll eine feste Responseschwelle von 15 % der Skalenspannweite nun „Klarheit für die Hersteller schaffen und willkürliche Responderanalysen auf Basis nicht nachvollziehbarer Responderdefinitionen verhindern”.

Hintergrund für diese Entscheidung ist die Einschätzung des IQWIG, dass viele wissenschaftliche Untersuchungen zur Ermittlung einer MID nicht mehr den heutigen methodischen Ansprüchen genügen oder die angewendete Methodik in den wissenschaftlichen Publikationen nicht hinreichend beschrieben wird. In dieser Situation hat das IQWiG einen neuen Ansatz entwickelt, der es ermöglichen soll, auf einfachem Wege Schwellen zu ermitteln, die hinreichend sicher einen bedeutsamen Bereich abgrenzen.

Allerdings interpretiert die DGPharMed dies nicht so, dass bei allen Bewertungen nur noch die vom IQWIG gesetzte Schwelle von 15% gilt. Unter dem neuen Kriterium einer Responseschwelle von 15 % des Skalenrangs werden eine Reihe von bisher akzeptierten, wissenschaftlich fundierten „MIDs” nicht mehr berücksichtigt.

Sofern im Rahmen eines Modul 4 eine wissenschaftlich fundierte Herleitung einer anderen, a priori bereits im SAP einer klinischen Studie festgelegten Responseschwelle vorgelegt wird, sollte dies ebenfalls oder stattdessen für die Bewertung akzeptiert werden. Wann eine wissenschaftliche Herleitung den heutigen methodischen Ansprüchen genügt oder die angewendete Methodik in den wissenschaftlichen Publikationen hinreichend beschrieben wird, sollte allerdings Thema der wissenschaftlichen Fachkreise und nicht nur einer einzelnen nationalen Institution sein.

Empfehlung

Die DGPharMed empfiehlt dringend die zeitnahe Entwicklung einer verbindlichen, nationalen Leitlinie zu Patientenberichteten Endpunkten und entsprechenden Instrumenten/Skalen, auch um langfristig die Sicherheit und Planbarkeit für die Hersteller zu erhöhen. In die Erstellung dieser Leitlinie müssen außer dem IQWIG auch die wissenschaftlichen Fachkreise eingebunden werden. Neben den Mitgliedsgesellschaften der AWMF und einigen Lehrstühlen an deutschen Universitäten ist dies vor allem auch das CIPS (Collegium Internationale Psychiatriae Scalarum), das sich seit fast 50 Jahren mit klinischen Skalen zur Wirksamkeits- und Verträglichkeitsbeurteilung von Interventionen in der psychiatrischen und psychopharmakologischen Forschung beschäftigt.

Dr. med. Simone Breitkopf
Bernard Brandewiede
Dr. med. Simone Breitkopf

Sprecherin des Fachbereichs Market Access
Beisitzerin, Ressort Nationale & Internationale Kooperationen / Mitgliedschaften

Bernard Brandewiede

Beisitzer, Ressort: Fachbereiche

Stellungnahme herunterladen (PDF, 199KB)

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